Hirschhausen und die Macht des Alkohols

Sendezeit: 20:15 - 21:00, 27.01.2025
Genre: Drogen
  • Untertitel für die Sendung verfügbar
  • Redaktion: Markus Schall
  • Von: Kristin Siebert
Deutschland (2024) Dr. Eckart von Hirschhausen begibt sich in seiner neuen Dokumentation auf Spurensuche: Wie groß ist die Macht des Alkohols? Der Arzt und Wissenschaftsjournalist deckt auf, was die Volksdroge Nummer 1 in unserem Körper, unseren Beziehungen und unserer Gesellschaft bewirkt. Wieso macht ein "normaler" Konsum bereits krank? Wann fängt Alkoholsucht an? Und wie leiden Familien und Freundschaften unter der Sucht? In spannenden wissenschaftlichen Experimenten zeigt von Hirschhausen, wie und warum uns unser Gehirn immer wieder in die Alkohol-Falle tappen lässt. In emotionalen Begegnungen in einer Mannheimer Suchtklinik und unterwegs in ganz Deutschland wird das Leid sichtbar, das bei den Betroffenen mit jedem Schluck größer geworden ist. Wie schaffen es die Suchtkranken raus aus dem Teufelskreis von Bier, Wein und Schnaps?
Eckart von Hirschhausen: "Durch die vielen Menschen, denen ich für diesen Film begegnen durfte, ist mir klar: Alkohol zerstört so viel mehr als die Leber. Diese Gefahren zu belächeln und zu verharmlosen, kostet Menschenleben. Streng wissenschaftlich betrachtet ist Alkohol die gefährlichste Droge der Welt - höchste Zeit, anders darüber zu reden!"
Jeder Schluck ist krebserregend
Alkohol bedingt sieben verschiedene Arten von Krebs, er ist Auslöser für Demenz, Alzheimer und viele kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Wissenschaft ist sich einig: Jeder Schluck ist krebserregend, auch der erste. Andererseits: Der Rausch macht Spaß. Alkohol befreit von Unsicherheiten und gibt uns das Gefühl von Leichtigkeit. Das macht ihn so verführerisch.
Auf dem Münchner Oktoberfest und in St. Pauli begibt sich Eckart von Hirschhausen direkt in die deutschen Epizentren des Alkohols. Abseits des Trubels werden in emotionalen Gesprächen die Kollateralschäden der Sucht deutlich.
So trifft der Arzt und Wissenschaftsjournalist Jenny F. Ihre Mutter hat während der Schwangerschaft Alkohol getrunken. Jenny hat den Verdacht, dass sie deshalb unter dem fetalen Alkoholsyndrom leidet und wendet sich zusammen mit Eckart von Hirschhausen an einen der wenigen Experten auf dem Gebiet, Ludwig Spohr.
Eckart von Hirschhausen: "In meiner Zeit als Arzt in der Kinderheilkunde habe ich schon mit alkoholgeschädigten Kindern zu tun gehabt und weiß: Was in der Schwangerschaft im Hirn zerstört wurde, ist mit der besten Behandlung nicht rückgängig zu machen. Warum steht das nicht fett auf jedem Etikett?"
Chris fing schon im Kinderheim an zu trinken. Er lebte sieben Jahre lang auf der Straße und trank bis zu drei Flaschen Wodka am Tag. Schließlich haben ihm seine Partnerin und eine klare Tagesstruktur aus der Sucht geholfen. Eckart von Hirschhausen trifft den ehemaligen Obdachlosen in einer Hamburger Kiezkneipe - nüchtern.
Kerstin begann schon mit elf Jahren, Alkohol zu trinken, weil auch ihre Mutter täglich zu Hause trank. Mit 15 zog sie aus, geriet mit der Polizei in Konflikt und rutschte immer mehr in die Alkoholsucht ab. Heute ist sie trocken und macht ein Expositionstraining. Dadurch wird mit jeder Sitzung die neuronale Antwort auf Alkoholreize im Belohnungszentrum nach und nach vermindert. Suchtforscher Rainer Spanagel weiß: Sucht verändert unser Gehirn strukturell und nachhaltig. Er berichtet von Fortschritten in der Therapie z. B. mit Hilfe von gering dosierten Psychedelika.
Eckart von Hirschhausen: "Nirgendwo wird so viel getrunken wie in Europa, aber wir tun weiter so, als gäbe es die eine Millionen alkoholbedingten Toten pro Jahr nicht."
Vollrausch zum Schnäppchenpreis
Alkoholkonsum verursacht in Deutschland ökonomische Schäden von 60 Milliarden Euro durch Gesundheitskosten, Arbeitsausfall und Pflege. Die Steuereinnahmen durch den Verkauf von Alkohol kompensieren mit rund drei Milliarden Euro nicht annährend diese Kosten. Warum lassen die Politikerinnen und Politiker das zu und wie ernst nehmen sie den Kampf gegen die Alkohol-Lobby? Studien zeigen klar: Ein Werbeverbot wäre wirksam und durch eine höhere Besteuerung ließen sich in Europa zehntausende neue Krebs- und Todesfälle verhindern. Doch stattdessen besteuern wir in Deutschland Alkohol im EU-Vergleich besonders niedrig. Den Vollrausch gibt es hierzulande zum Schnäppchenpreis.
Hintergrundinformationen: Eine Produktion der Bilderfest GmbH (Buch und Regie: Kristin Siebert, Produzent: Stefan Otter) im Auftrag des WDR für Das Erste.

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